Thomas Saretzki erinnert in seinem einleitenden Beitrag zum Verhältnis von "Mediation, Bewegung und Demokratie" zunächst daran, daß die Einführung von neuen Konfliktregelungsverfahren (wie Mediation) in etablierten politischen Systemen in der Regel nicht konfliktfrei verläuft. In der Debatte um Mediation als `alternative´ Form der Konfliktvermittlung zeigen sich zwei grundlegende Konfliktlinien: Strittig ist nicht nur, ob das etablierte politisch-administrative System Leistungs- und Legitimationsdefizite aufweist, die ein Experimentieren mit neuen Verfahren der Konfliktregelung nötig erscheinen lassen. Strittig ist auch, wie solche Verfahren der `Alternative Dispute Resolution´ (ADR) in die bestehenden Systeme rechtlich und politisch-administrativ einzufügen sind.
Fragt man nach dem Verhältnis von Mediation und sozialen Bewegungen, dann lassen sich drei Perspektiven unterscheiden. Die emphatische Rede von ADR als Bewegung kann vor den Kriterien der Bewegungsforschung nicht bestehen. Die Interpretation von Mediation als Produkt von Bewegungen übersieht, daß es zunächst nicht die Bewegungen selbst, sondern unbeteiligte Dritte waren, die bei Konflikten zwischen Bürgerinitiativen bzw. Bewegungen und staatlichen Instanzen eine unabhängige Vermittlung in Mediationsverfahren vorgeschlagen haben. Mediation stellt heute eher einen Teil der `opportunity structure´ von Bewegungsakteuren dar, der diese vor eine Reihe von strategischen Dilemmata im Hinblick auf die Frage der Teilnahme oder Nicht-Teilnahme stellt.
Die Erwartung vieler ADR-Anhänger, ein Mehr an Mediation würde zugleich auch ein Mehr an Demokratie und Bürgerbeteiligung bedeuten, erweist sich bei näherer Betrachtung als Illusion. Wenn ADR-Verfahren wie Mediation in erster Linie als `Techniken´ oder `Instrumente´ sozialer Konfliktvermittlung zu verstehen sind, die etwa in den USA inzwischen als kommerziell verfügbare Dienstleistungen angeboten werden, dann können diese Instrumente vielmehr von verschiedenen Akteuren zu unterschiedlichen Zielen eingesetzt werden.