- Thomas Leif/Peter Kuleßa: Das Ende der Politik Ursachen, Auswirkungen, Alternativen
- Gerd Mielke: Von Preußen nach Brasilien? Zur Krise der demokratischen Institutionen und Handlungsgrenzen der Politik
- Reinhard Ueberhorst: Kooperative Politik(formen) im 21. Jahrhundert
- Warnfried Dettling: Reformperspektive Bürgergesellschaft
- Roland Eckert: Parteistrategen, Diskursethiker und Chauvis - Wer formuliert die Politik?
- Erhard Eppler: Politik tut not
- Thomas Meyer: Politik auf der Medienbühne
- Wendelin Abresch: Marketing als Instrument im Wettbewerb um die Macht
Eine Einführung in die Thematik des ,Endes der Politik‘ geben Thomas Leif und Peter Kuleßa. Sie verharren dabei nicht in einer bloßen Beschreibung von Krisenszenarien, sondern machen durchaus Reformpotentiale in verschiedenen Handlungsfeldern aus. Skizziert werden (neue) Optionen für die Reform demokratischer Institutionen, insbesondere der Parteien. Eine gewichtige demokratisierende Funktion messen die Autoren der Stärkung unkonventioneller Beteiligungsformen zu. Sie fordern eine Vitalisierung der Bürgergesellschaft. Eine derartige Belebung, verknüpft mit stärkerer Repräsentation und Responsivität demokratischer Institutionen, könnte – mehr als gemeinhin wahrgenommen wird – dem ,Ende der Politik‘ entgegensteuern. Nicht zuletzt in diesen Fragen weisen die Autoren den Medien eine besondere Rolle zu. Auch in diesem Bereich gilt es umzudenken. Umzudenken innerhalb den Redaktionen des politischen Journalismus sowie unter den Nutzern moderner Medien (Stichwort: Inszenierung von Politik durch die Parteien, Einfluß von Spin Doctors). Trotz aller skeptischen Analysen kommen die Autoren zu einer durchaus optimistischen Perspektive: ,Die Spielräume für die politische Gestaltung der Gesellschaft sind da, sie müßten nur umgesetzt werden‘.
Kritik an den demokratischen Institutionen spricht Gerd Mielke keineswegs die Berechtigung ab, doch weist er darauf hin, daß Krisenindikatoren wie sinkende Wahlbeteiligung, der Niedergang einer Programmkultur der Parteien oder der häufig beklagte Ansehensverlust der politischen Klasse nicht zu ernst genommen werden sollten. Wesentlich prekärer ist für Mielke der wachsende Gegensatz zwischen einer verstärkt am plebiszitär-partizipatorisch ausgerichteten gesamtgesellschaftlichen politischen Kultur einerseits, und der dagegen zurückgebliebenen bzw. abwehrenden innerorganisatorischen Kultur andererseits. Schließlich diagnostiziert Mielke in der Erosion der Territorialität und Repräsentativität (im Rahmen von Globalisierung etc.) zugleich eine Krisenverschärfung für demokratische Institutionen. In einem knappen Ausblick macht der Autor Vorschläge, wie den beschriebenen Szenarien entgegengetreten werden könnte. Wobei (einfache) Strategien gegen die Entfunktionalisierung demokratischer Institutionen nicht vorliegen.
,Das unterentwickelte Bewußtsein für kooperative Leistungsziele und -kompetenzen ist eine, wenn nicht die größte Herausforderung für gelingende Politik in einer polyzentrischen pluralisierungsstarken Gesellschaft‘ schreibt Reinhard Ueberhorst in seinem Beitrag. Ueberhorst ist der Überzeugung, daß es für zukünftige Politikfähigkeit eines kooperativen Verständis zwischen verschiedenen gesellschaftlichen Teilsystemen (v.a. Politik, Wirtschaft und Wissenschaft) bedarf. Bewußt optimistisch entwickelt er ein Szenario, wie eine Auseinandersetzung um konsensuale Verständigungsprozesse auch im Wahlkampf zu ihrem Recht kommen könnten – rational gesehen, eigentlich kommen müßten. Oftmals haben die Politiker jedoch den schnellen Erfolg vor Augen und verhalten sich, so Ueberhorst, im eigenen (kurzfristigen) Interesse falsch. Parteien und Politiker sollten, so die Empfehlung, erkennen, wann sie so agieren (müssen) und wann sie eine längerfristige, kooperative Politikverständigung anstreben – auch im Wahlkampf.
Staat, Wirtschaft und Familie sind spätestens seit den rapiden Umbrüchen mit Beginn dieses Jahrzehnts (Stichworte: Globalisierung, Technologisierung, Ende des Ost-West-Konflikts) an ihre Leistungsgrenzen gelangt. Vor diesem Hintergrund plädiert Warnfried Dettling in seinem Beitrag für eine Erneuerung der Demokratie und des Sozialstaats ,aus den Wurzeln der Gesellschaft‘. Seine Reformperspektive ist eine Bürgergesellschaft als Leitidee für eine Transformation des Sozialstaats alter Prägung. Im Auf- und Ausbau einer sozial aktiven Bürgergesellschaft verortet der Autor auch den Platz für die neuen sozialen Bewegungen. Sie müssen Teil einer breiten Reformbewegung werden, um nicht vollends von den etablierten Akteuren an den Rand gedrängt zu werden.
Eingezwängt in feste Verfahren, Koalitionen und Furcht vor Repliken (via Massenmedien) des politischen Gegners, geraten (Partei-)Politiker, so Roland Eckert, zusehend in ein Dilemma: Für sie steht mittlerweile die Aggregation und nicht die Artikulation von Interessen im Vordergrund ihres Wirkens. Diese Entwicklung verschafft(e), so der Autor, vor allem Protestaktionen und Akteuren außerhalb des etablierten Parteiensystems neue Formen des positiven wie auch negativen Einflusses auf die Handlungsmöglichkeiten der (partei-)politischen Akteure. Forciert wird diese Entwicklung durch die Vermittlung moderner Medien. Diese Artikulationformen sind zugleich ein Anzeichen für neu entstehende Konfliktlinien innerhalb der Gesellschaft, die sich in dem Parteiensystem (noch) nicht wiederfinden, so Eckert.
,Politik tut not‘ titelt Erhard Eppler. Diese Forderung macht er in seinem Beitrag an der Entwicklung und Behandlung von Fragen der Ökologie plausibel. In Zeiten, wo für Marktradikale die Politik nur noch ein Hindernis ist, tritt Eppler dafür ein, daß die Politik die Richtung für Ökonomie, wissenschaftlich-technischen Fortschritt etc. ändern muß. Denn: Nicht erst seit den siebziger Jahren, spätestens mit dem Bericht der Brundtland-Kommission 1987 müßte die Politik begriffen haben, was es bedeutet, eine ,zukunftsfähige Politik‘ anzusteuern. Die Entwicklungen haben sich so verschärft, daß das ,menschenwürdige Überleben aller‘ gefährdet ist. Politik wird, so Eppler, ,zuständig für menschliches Überleben‘. Sie sollte sich nicht mehr, wie bisher in der Geschichte, zurückziehen auf die bequeme Position des Rahmengebers, des Begleiters, des Flankierers. Bei aller Kritik an den Verfechtern der ,reinen‘ Regulierung durch den Markt, stellt er seine Funktion und Notwendigkeit keineswegs in Frage. Eine Politik kann jedoch nur dann nach Entlastungen über dieses Regulierungsinstrument suchen, wenn sie es durch einen sozialen und ökologischen Rahmen ergänzt hat.
Den immer engeren Zusammenhang zwischen Politik und modernen Medien, zumal des elektronischen Leitmediums Fernsehen, thematisiert Thomas Meyer. Meyer macht einen enormen Vorab-Inszenierungsdruck seitens der Medien auf die Politik aus. Die Politik gerät soweit unter diesen Druck, daß sie sich diesen ,Gesetzen‘ frühzeitig anzupassen hat, um überhaupt wahrgenommen zu werden. Dabei stehen die Logik medialer Vorab-Inszenierung und die Logik der Politik in einem immerwährenden Spannungsverhältnis. Während letztere durch lange Prozesse, unscheinbare und scheinbare, kleine und große Akteure etc. bestimmt ist, die eigentlich einer zeitaufwendigen und genaueren Zuwendung bedarf, ist erstere in ihrem Wirken zugespitzt, verkürzend und selektiv. In komplexen Gesellschaften gilt es für die Politik – und die Medien –, sich diesem Spannungsverhältnis auszusetzen. Die Politik agiert dabei, so weist Meyer nach, in Mustern, die sich mit der Logik des Theaters erklären lassen. Der Autor beschreibt das (mögliche) synthetische Verhältnis zwischen beiden Logiken an Hand unterschiedlicher Modelle. So plausibel diese Modelle für die Erklärung bestimmter Verhaltens- und Handlungsmuster sind: generelle Maßstäbe zur Beurteilung von oder ein pauschales ,Handlungsrezept‘ für Politik können sie freilich nicht anbieten.
In einer zunehmend unübersichtlichen Informations- und Medienlandschaft wird es für den Wähler immer komplizierter politische Botschaften und Programme zuzuordnen. Aus der Sicht eines Werbeprofis argumentiert Wendelin Abresch daher für eine stärkere Verknüpfung zwischen Botschaft und der Inszenierung einer Perönlichkeit, die diese Botschaft transportieren soll. Warum? Weil der Mensch schon von Natur aus so geschaffen ist, daß sein Gehirn sowohl auf Fakten und Versprechen wie auch Sympathien, Charisma und Vertrauen reagiert. Um Klarheit, Einfachheit und Kontinuität in ihren Botschaften zu erlangen, rät Abresch den politischen Parteien deshalb die Mittel der klassischen Werbung zu nutzen, um das Produkt und die (Marken-)Persönlichkeit erfolgsbringend – auch über den Wahltag hinaus – zu ,verkaufen‘.