Im ersten Beitrag geht Kai-Uwe Hellmann der Frage nach, inwieweit dem Verhältnis von Protest und Gewalt spezifische sozialstrukturelle Bedingungen zugrunde liegen, die plausibel machen können, warum es überhaupt zu Protest kommt, der unter bestimmten Umständen in Gewalt umschlägt. Dazu wird in einem ersten Schritt der Structural Strains-Ansatz in groben Zügen skizziert, um im Anschluß an die Unterscheidung von Macht und Gewalt aufzuzeigen, in welcher Weise Gesellschaftsstruktur und Gewalt zusammenhängen könnten. Als Ergebnis bleibt festzuhalten, daß nur eine mehrdimensionale Betrachtungsweise dem Verhältnis von Protest und Gewalt gerecht zu werden vermag.
Klaus Eder wendet sich im seinem Beitrag der Frage zu, inwiefern die Mobilisierung kollektiver Identitäten mit symbolischen Macht- und Gewaltverhältnissen zu tun hat. Dabei verbindet Eder die Idee der symbolischen Gewalt, die man in Anlehnung an Parsons als Blockierung von Kommunikationschancen verstehen könnte, mit Prozessen symbolischer Exklusion, bei denen Grenzziehung zu Ausgrenzung in Fragen der Zugehörigkeit, Anerkennung und kollektiver Identitätsbildung führt. Im Zusammenhang damit äußert Eder auch die Vermutung, daß physische Gewalt zunehmend durch symbolische Gewalt ersetzt wird, weil die Relevanz von Identitätspolitik, wie sie etwa in ethnischen Konflikten zum Ausdruck kommt, deutlich an Bedeutung zugenommen hat.
Nach einer ausführlicheren Rekonstruktion der Geschichte und Gestalt des Framing-Ansatzes und einer kurzen Rekapitulation der Gewaltforschung der letzten Jahrzehnte spielen Reinhard Kreissl und Fritz Sack verschiedene Szenarien unter der Fragestellung durch, inwiefern das Gewaltphänomen unter Framing-Aspekten betrachtet werden kann; was ebenso die Sichtweise der Sozialforschung wie die der Massenmedien betrifft. Nicht zuletzt kommt es zu einer durchaus kritischen Diskussion des Mythos des Gewaltmonopols, sofern von ihrer pazifizierenden Wirkung als der Kernfunktion des modernen Staates die Rede ist. Die Autoren schließen mit einigen methodologischen Einwänden gegen den Framing-Ansatz, gerade wenn es darum geht, das Verhältnis von Protest und Gewalt unter Framing-Aspekten zu verstehen.
Ekkart Zimmermann widmet sich in seiner Arbeit dem Zusammenhang von Ressourcenmobilisierung und Gewalt. Dabei konzentriert sich Zimmermann auf eine sehr kundige Diskussion der Stärken und Schwächen des Ressourcenmobilisierungsansatzes, sowohl was die Vorgängertheorie der Relativen Deprivation als auch nachfolgende Erklärungskonzepte wie Political Opportunity Structures betrifft. Im Zuge dieser grundsätzlich zustimmenden, wenngleich nicht unkritischen Auseinandersetzung mit dem Ressourcenmobilisierungsansatz kommt Zimmermann dann auch auf den Gewaltaspekt zu sprechen und thematisiert hier neben eigenen empirischen Ergebnissen zur Protest- und Gewaltbereitschaft der 90er Jahre in Ost- wie Westdeutschland vor allem die Rolle des Staates bei der Eskalation der Gewalt.
Im letzten Beitrag wendet Martin Winter den Political Opportunity-Ansatz auf den Zusammenhang von Protest und Gewalt an. Obwohl in anderen Ansätzen der Bewegungsforschung die stärkere Berücksichtigung von Handlungschancen und -ressourcen der Konfliktbeteiligten gefordert wird, ist die Erforschung des Polizeiapparats als einer der zentralen Gegenspieler sozialer Bewegungen bislang weitgehend unterblieben. Der Autor versucht in seinem Beitrag dieses bislang unbekannte Terrain des ‚Protest policing‘ zu erkunden und fragt, welche Einsatzphilosophien das strategisch-taktische Vorgehen der Polizei bei Protestaktionen begründen und wie ihr Handeln von den verschiedenen Protestgruppen eingeschätzt wird. Er kommt zu dem Schluß, daß polizeiliche Handlungskalküle und -strategien auf drei interdependenten ‚Schlachtfelder‘ bestehen müssen: strategisch-taktische Zielerreichung, Legitimität der Maßnahmen und massenmedial vermittelte Akzeptanz in der öffentlichen Meinung.