Europa sieht sich kurz vor den Wahlen zum Europäischen Parlament mit einem Krieg auf dem Balkan konfrontiert. Eine europäische Integration - gerade auch unter Einbeziehung unserer Nachbarn in Mittel- und Osteuropa - scheint in weite Ferne gerückt zu sein. Ein dauerhafter Frieden im ehemaligen Jugoslawien bedarf genauerer Analysen der Ursachen für den kriegerischen Ausbruch ethnischer Konflikte. Klischees von quasi 'naturgegebenen' Unterschieden zwischen den Völkern und Nationen sowie von einer kulturell verwurzelten Gewaltneigung der Balkanvölker sind dabei nicht hilfreich.
Demgegenüber argumentiert Friedbert W. Rüb, dass die Verfassung Jugoslawiens ein tragfähiges Modell zur Integration einer multikulturellen Gesellschaft darstellte. Die institutionellen, ökonomischen und sozialen Grundlagen dieses Modells wurden von den politischen Eliten um Milosevic zugrunde gerichtet. Ethnizität wird in diesem Kontext als politisch gewollte Konstruktion von Grenzen verstanden, die Differenzierungen zwischen Zugehörigkeit und Nichtzugehörigkeit hervorbringen soll. Gegenstand der Überlegungen sind Strategien und Faktoren, die zur Beschleunigung ethnischer Konflikte bis hin zum Genozid beigetragen haben.
Das Themenheft des Forschungsjournals Neue Soziale Bewegungen geht davon aus, dass zur Beilegung nationaler und regionaler Konflikte in Europa genauere Fallanalysen vonnöten sind. Das Streben nach regionaler Selbstbestimmung, nach Anerkennung und Förderung kulturell-ethnischer Eigenheiten legitimiert sich durch Forderungen nach Demokratisierung übermächtiger Nationalstaaten und dem Ausbau föderaler Strukturen. Die Anerkennung von Differenzen bei Rechtsgleichheit der Bürger eines politischen Gemeinwesens ist Voraussetzung für einen friedlichen europäischen Einigungsprozess. Hierzu findet sich in dem, was im Kosovo geschieht, die Gegenthese: Eine auf Ausgrenzung und territoriale Ansprüche ausgerichtete Politik macht ethnische Eigenheit und Identität zum gefährlichen Instrument im Machtkalkül politischer Eliten.
Anhand zweier Fallanalysen - Nordirland und Südtirol - erarbeiten Georgia Bekridaki und Michael Weck Dimensionen der 'Konfliktlösung in ethnisch gespaltenen Gesellschaften'. Sie kommen zu dem Schluss, dass die Lösbarkeit nationalistischer Konflikte von der sozialstrukturellen Homogenität oder Heterogenität der beteiligten ethnischen Gruppen, vom Einfluss externer Akteure und ihren Allianzbeziehungen zu den Konfliktparteien sowie von der Verhandlungsfähigkeit und der Durchsetzungskraft führender Eliten abhängt. Liam O'Dowd diskutiert die Rolle konkurrierender Nationalismen in einer skeptischen Analyse der Aussichten des Nordirlandabkommens.
Mit dem Konflikt im Baskenland befassen sich Pedro Ibarra und Carmelo Moreno. Einen vergleichenden Überblick über Entwicklungen nationaler und regionaler Phänomene in Europa - 'von Korsika bis Kasachstan' - liefert Wanda Dressler.