Politikberatung hat Konjunktur. Veränderte Rahmenbedingungen (Globalisierung, Verflechtung von Wirtschaft, Umwelt und Politik) führen oftmals zu ratlosen politischen Entscheidungsträgern. Der Ruf nach Beratung, die neue Orientierung vermitteln und Handlungsperspektiven aufzeigen kann, ist immer häufiger zu hören. Parallel zu dieser Entwicklung wird der Markt der Beratungseinrichtungen größer.
"Die politische Konsultation in Deutschland ist Ende der 90er Jahre zur Wachstumsindustrie geworden", so Martin Thunert. Seine Analysen basieren auf einer empirischen Studie zu wissenschaftlich gestützter Politikberatung durch Ideenagenturen (Think Tanks). Ein zentraler Befund der Untersuchung zeigt das Mißverhältnis "zwischen einerseits der sehr hohen Priorität, die politisch-administrative Akteure als Zielgruppe von Denkfabriken genießen und andererseits der als deutlich schwächer eingeschätzten Nachfrage nach den Diensten der externen Berater". Gründe dafür sieht Thunert vor allem in dem Selbstverständnis vieler Think Tanks. Um ihre Nachfrage und Wirksamkeit zu optimieren müssen sie den "Graben zwischen (theoretischer) Politikberatung und (praktischer) Anwendung durch Personalaustausch und enge Kooperation zwischen den Welten der Wisssenschaft, der Wirtschaft, des Journalismus und der Politik überbrücken"; die Eigenleistung besser präsentiert und vermarktet werden.
Obwohl Politikberatung sich einer zunehmenden Nachfrage erfreut, bleibt die Frage, inwieweit politische Handlungsträger sich in ihren Entscheidungsprozessen tatsächlich beraten lassen. Auf der Grundlage einer 1998 durchgeführten Befragung politischer Planer in SPD-Regierungs- bzw. Oppositionszentralen kommt Gerd Mielke in seinem Beitrag zu einem ernüchternden Ergebnis. Seine Befunde aus elf Bundesländern erhärten die Einschätzung, dass gesellschaftswissenschaftlich fundierte politische Planung in einer Zwickmühle steckt: Funktionierende wissenschaftlichen Begleitung von Politikprozessen steht einer zunehmenden Beratungs- und Planungsresistenz politischer Eliten gegenüber. Verschärft wird diese Entwicklung durch die Amtsdauer einer Regierung. "Je länger die Regierungszeit andauert, desto stärker rücken ... die administrativen Komponenten der Politik in den Vordergrund, oft genug aus dem Grunde, um anfangs eingeleitete Innovationen zu implementieren und in Gang zu halten".
Neben der veränderten Nachfrage- und Angebotssituation ergibt sich eine gewisse Aktualität des Themas Politikberatung in Deutschland durch den Regierungswechsel 1998. Anders als zu Zeiten Helmut Kohls setzt Gerhard Schröder mit seiner Mannschaft erkennbar auf Ideengeber von außen. Dies war bereits für den Bundestagswahlkampf 1998 der Fall. Der designierte Bundesgeschäftsführer der SPD, Matthias Machnig, verdeutlicht in seinem Beitrag, daß die Abwahl der alten Regierung nicht nur auf günstige Rahmenbedingungen zurückzuführen ist. Der erfolgreiche Wahlkampf war nicht zuletzt ein Ergebnis erfolgreicher Politikberatung. Orientiert an amerikanischer und britischer Wahlkampfführung wurde eine Kampagnenzentrale ("Kampa") eingerichtet. Diese existierte neben den etablierten organisatorischen Strukturen der Partei. Zentrale Erfolgskriterien für den Erfolg der Kampa sieht Machnig vor allem in dem Ausbau professioneller Kampagnenstrukturen und effektiven Umsetzungsformen. Grundlage dafür waren ein strikter oraganisatorisch-logistischer Handlungsrahmen, in dem auch externe Institute und Agenturen eingebunden waren.
Auch NGOs spielen mit ihrer (Gegen-) Expertise in der politischen Beratung eine nicht zu unterschätzende Rolle. Den Einfluss der Umweltinstitute untersucht Hans-Jochen Luhmann vom Wuppertalinstitut; die Beratung durch die Frauenforschung analysiert Mechtild Jansen; die Konsultation der Gewerkschaften betrachtet Gudrun Trautwein-Kalms vom WSI; am Beispiel der Grünen Akademie der Heinrich-Böll-Stiftung lotet Michael Daxner die Einflussmöglichkeiten politischer Stiftungen aus. Vera Schäfer von McKinsey & Co. beschreibt den Beratungsprozess bei einer Non-Profit-Organisation, den Deutschen Tafeln.
Insgesamt wird auf den 124 Seiten erstmals die Vielfalt politischer Beratung an Hand von empirischen Studien und Fallbeispielen ausführlich und kontrovers diskutiert.