Nicht erst seit den bekannt gewordenen finanziellen Machenschaften der CDU ist eine allgemeine Unzufriedenheit über ‚die Politik' auszumachen. Dieser gegenwärtige Verdruss geht Hand in Hand mit einem schon länger zu konstatierenden Desinteresse an traditionellen Organisationen wie Parteien, Verbänden, Gewerkschaften, aber auch den Kirchen, mit ihren klassischen formalen Strukturen und Mitgliedschaften. Im Gegensatz zur Distanz zu den traditionellen Organisationen ergibt sich mit Blick auf die Bereitschaft zum Engagement in der Bevölkerung ein anderes Bild.
Sie ist nach den neuesten Erhebungen größer als bislang vermutet (siehe den Beitrag von Helmut Klages). Die Befunde zeigen, dass Bürgerinnen und Bürger ihre Anliegen zunehmend in die eigenen Hände nehmen (wollen) (zu den geschlechtsspezifischen Selektivitäten des Engagements der Beitrag von Gisela Notz). Ein auf Parteien und Verbände reduziertes Politikverständnis kann die vielfältigen Formen des zivilgesellschaftlichen Engagements nicht angemessen berücksichtigen. Offenbar sind „die eingespielten Abgrenzungen von privat/öffentlich, politisch/sozial, kulturell/ökonomisch (...) durch die aktiven Bürgerinnen und Bürger herausgefordert worden. Vormals Unpolitisches gerät zum politischen Konflikt, vormals Privates erhält öffentliche Aufmerksamkeit" (Roth 1999a). Unter diesen herausfordernden Voraussetzungen bedarf es neuer vermittelnder Strukturen, die auf das Engagementpotential angemessen reagieren: Freiwilligenagenturen, Seniorenbüros oder Selbsthilfekontaktstellen operieren in diesem intermediären Raum (mit dem Augenmerk auf Freiwilligenagenturen diskutieren Gisela Jakob und Heinz Janning diesen Aspekt)
Die Diskussion um das bürgerschaftliche Engagement hat Konjunktur (für einen Überblick über Motiv- und Interessenlagen des Engagements Kistler et al. 1999)
Aus den Debatten wird deutlich, dass es sich um einen‚ mehrdeutigen, programmatischen Arbeitsbegriff' handelt. Er umfasst die freiwillige bzw. ehrenamtliche Wahrnehmung öffentlicher Funktionen, klassische und neue Formen des sozialen Engagements, der gemeinschaftsorientierten, moralökonomisch bzw. von Solidarvorstellungen geprägten Eigenarbeit und der gemeinschaftlichen Selbsthilfe (Roth 1999a).1 In die Diskussion gehen von wissenschaftlicher Seite u.a. Untersuchungen zum ehrenamtlichen Engagement, Ergebnisse der Vereinsforschung, der Dritte-Sektor-Forschung, der Wertewandel-Forschung und der Forschungen zu den neuen sozialen Bewegungen, um die es in den 90er Jahren ruhiger geworden ist, ein. Es bestehen Bezüge zu Diskussionen, die unter den Stichworten ‚Bürgerinitiativen', ‚Selbsthilfe' oder ‚mehr Demokratie wagen' seit den 70er Jahren geführt worden sind und unter den Bezeichnungen Kommunitarismus, Zivilgesellschaft und ‚soziales Kapital' fortgesetzt werden.
Trotz dieser Vieldeutigkeit gibt es einen gemeinsamen Bezugspunkt, der im Begriff des bürgerschaftlichen Engagements zum Ausdruck kommt: Innerhalb der Variationsbreite der genannten Facetten trägt bürgerschaftliches Engagement zu den demokratischen Qualitäten der Gesellschaft bei. Gegen eine lange etatistische Tradition gewandt, bedeutet die Wiederentdeckung der aktiven Bürgerin und des aktiven Bürgers für die politische Kultur der Bundesrepublik einen Gewinn. In den zivilgesellschaftlichen Räumen (zur Bürgergesellschaft siehe den Beitrag von Warnfried Dettling) entsteht eine Praxis des Engagements jenseits privater Interessen und Bindungen, das auf das Gemeinwesen bezogen ist und dieses in sozialen Netzwerken immer wieder neu erschafft. In der aktiven Nutzung der Bürgerrechte und in der sozialen Teilhabe entfalten sich gemeinwohlbezogene Motive und Werthaltungen und damit eine partizipatorische politische Kultur, auf die die Demokratie angewiesen ist. „Aus dieser Perspektive sind die gemeinschaftsbezogenen Aktivitäten und Formen der gegenseitigen Hilfe und Unterstützung und der Interessenartikulation von Bürgerinnen und Bürgern sowie die hier vorfindlichen Organisationsformen wie Bürgergruppen, Vereine und freiwillige Assoziationen Ausdruck und zentrale Grundlage sowohl einer demokratischen politischen Kultur als auch einer solidarischen Wohlfahrtsgesellschaft" (Evers/Olk 1996: 11).
Bei der Bezeichnung des Handlungsraumes der aktiven Bürgerinnen und Bürger stimmen Konzepte der Zivilgesellschaft und des Dritten Sektors darin überein, dass es sich um eine schwer abgrenzbare Sphäre von Gemeinschaften und Zusammenschlüssen handelt, die sich zwischen den Polen Markt, Staat und Familie (bzw. anderen Lebensbereichen) erstreckt (Roth 1999b). Werden in den Diskussionen um den Dritten Sektor vor allem die ökonomischen Dimensionen eines nicht an Profit orientierten Tätigkeitsfeldes beleuchtet, so steht in den Diskussionen um die Zivilgesellschaft die politische Bedeutung dieser Sphäre im Vordergrund. Hier werden die Formen des politischen Sich-Einmischens, von politischem Protest und zivilem Ungehorsam beleuchtet, die sich mit dem Begriff des bürgerschaftlichen Engagements verbinden.2
Die gesellschaftspolitische Dimension des bürgerschaftlichen Engagements und dessen Bedeutung für die Entfaltung der Zivilgesellschaft gilt es gegen verkürzende Diskurse im Blick zu halten. So werden etwa unter dem Aspekt der sozialen Leistungen oftmals Positionen vertreten, die das bürgerschaftliche Engagement als unausgeschöpfte Ressource oder Lückenbüßer für den in die Krise geratenen Sozialstaat thematisieren. Eine andere Diskussion sieht die vielfältigen Formen des bürgerschaftlichen Engagements als Bezugspunkt für einen Wandel der Arbeitsgesellschaft. Verkannt werden dabei (worauf Adalbert Evers in diesem Heft hinweist) die guten Gründe, die schon Hannah Arendt dazu bewogen haben, zwischen politischem Handeln und Arbeit einen Unterschied zu machen. Diesen Unterschied gilt es jedoch zu berücksichtigen, wenn die gesellschaftspolitischen Impulse des bürgerschaftlichen Engagements und dessen Stellenwert als bürgerschaftliches Handeln (dazu der Beitrag von Herfried Münkler) ernst genommen werden. Die Berücksichtigung dieses Zusammenhangs ist die Voraussetzung dafür, unverkürzte Bezüge zu den Diskussionen um die Bedeutung des bürgerschaftlichen Engagements für einen Wandel der Arbeits- zur Tätigkeitsgesellschaft und für den Wandel von einer wohlfahrtsstaatlichen zu einer wohlfahrtsgesellschaftlichen Perspektive herzustellen.
Im Kontext der Zivilgesellschaft bezieht sich bürgerschaftliches Engagement auf das Herstellen von politischer Handlungsfreiheit im Gemeinwesen: Engagierte Personen, von denen hier die Rede ist, begegnen sich als Nachbarn und Mitglieder bestimmter kultureller oder lokaler ‚communities', aber zugleich auch als ‚citizens', als Bürger. „Die Debatte um Zivilgesellschaft und bürgerschaftliches Engagement stellt dabei eine Verbindung her zwischen den sonst vielfach getrennten Diskussionsbereichen um soziales und politisches Engagement" (Evers 2000: 31).
Inzwischen haben wissenschaftliche und gesellschaftliche Diskurse auch die Politik erreicht. Dort sind Diskussionen über das bürgerschaftliche Engagement in vollem Gange. Dass sich insbesondere die Vertreter der Kommunen mit dem Thema auseinandersetzen (KGSt 1999), ist verständlich: Hier spielt sich der größte Teil des sozialen und politischen Bürgerengagements ab. Doch auch die Länder und die Bundespolitik haben sich in den letzten Jahren verstärkt mit dem Thema beschäftigt. Im Dezember 1999 erfolgte die Konstituierung einer Enquete-Kommission des Deutschen Bundestags zur „Zukunft des Bürgerschaftlichen Engagements" (auf deren nunmehr einsetzende inhaltliche Arbeit nimmt der Beitrag von Gerd Mutz mit Blick auf Fragen der Unternehmenskultur Bezug; Adalbert Evers versteht seinen Beitrag ausdrücklich als Versuch einer Positionsbestimmung für die Arbeit dieser Kommission; Ansgar Klein berichtet über die ersten Arbeitsschritte der Enquete-Kommission bis März dieses Jahres).
Staatliche Akteure können die Voraussetzungen einer Kultur des Bürgerengagements verbessern, aber auch blockieren. Die Leitbild-Debatte einer Reformpolitik, die sich der Förderung des bürgerschaftlichen Engagements verschrieben hat, beruft sich auf den ‚aktivierenden Staat'. Dieser verabschiedet sich endgültig von etatistischen Reformkonzepten und wendet sich sowohl gegen den konservativen starken Staat als auch einen neoliberalen Minimalstaat. Ziel des aktivierenden Staates ist eine neue Verantwortungsteilung: Der Staat bewahrt seine Verantwortung für zentrale Probleme der gesellschaftlichen Wohlfahrt und fördert bewusst eine Infrastruktur des Bürgerengagements (Blanke/Schridde 1999). Doch es geht nicht nur um die Förderung einer unterstützenden Infrastruktur des Bürgerengagements, sondern auch um ein neues Verhältnis von Rechten, Optionen und Pflichten, um einen beteiligungsfreundlichen Politikstil und ein verändertes Zusammenspiel von Staat, Markt und Bürgerengagement (siehe auch den Beitrag von Adrian Reinert): „Die vorherrschende Subventionsmentalität und ihre Protagonisten werden rasch auch auf der Klaviatur des ‚aktivierenden Staates' zu spielen lernen. ... Angesichts dessen rückt die Frage danach in den Vordergrund, welche gesellschaftlichen Potentiale aktiviert werden sollen und welche Politikformen es dazu braucht. Inwieweit soll und muss eine dialogische und beteiligungsfreundliche Politik sich auf ein klügeres staatliches Management von Lobbyinteressen beschränken und inwieweit kann sie ihre Adressaten auch als Bürger ansprechen? Wie groß sind hierzulande bei den gesellschaftlichen Akteuren noch die Fähigkeiten zur Berücksichtigung der jeweils anderen Interessen, die Bereitschaft zur Gemeinwohlorientierung, und wie können sie gestärkt werden? Ausschlaggebend für Erfolgschancen aktivierender Politik in dieser Perspektive wäre dann das, was man in England die ‚civic virtues', und hierzulande ‚die politische Kultur' nennt" (Evers/Leggewie 1999: 340).
Bundeskanzler Gerhard Schröder (2000) hat in einem Beitrag - untertitelt ‚Anregungen zu einer Neubestimmung der Aufgaben von Staat und Gesellschaft' - sein Konzept einer modernen zivilen Bürgergesellschaft zusammengefasst als „‚Zivilisierung des Wandels' durch politische Integration und ein neues Bürgerbewusstsein". Ihm gehe es um mehr „Eigenverantwortung, die zu Gemeinwohl führt". Als neue Maxime bundespolitischen Handelns in der Zivilgesellschaft setzt er „Fördern und Fordern", eine Losung, deren Gehalt sich erst jenseits eines auf Verteilungskriterien reduzierten Verständnisses von sozialer Gerechtigkeit entfaltet. „Teilhabe und Teilnahme möglichst Aller am Haben und Sagen", darauf komme es an. Und wo lassen sich solche Werte und Ziele besser lernen als in der soziale und kulturelle Identifikationen ermöglichenden Zivilgesellschaft.
‚Gut gebrüllt Löwe', möchte man sagen und darin die ersten Anzeichen des aktivierenden Staates erblicken. Doch muss es sich erst noch erweisen, ob die neue Bundesregierung tatsächlich daran interessiert ist, ihren Abstand zum Bürger zu verringern und sich bereit erklärt, diesem Felder zu überlassen, für die sich der Staat bisher als genuin zuständig zeichnete. Ob die nach wie vor als Einbahnstraße ‚top/down' operierende Regierungskommunikation - wenn auch zunehmend internetmäßig aufgepeppt - einen Weg aus ihrer sozialtechnologischen Verengung herausfindet und in einen tatsächlichen Dialog mit dem Bürger mündet, muss gegenwärtig skeptisch betrachtet werden. Dass es sich auf diesem Gebiet jedoch als halsbrecherisch erweisen könnte, auf lange Sicht praktische Förderung und Unterstützung durch einlullende symbolische Politik zu ersetzen, wird von manchem bereits erahnt.
Politik in der Zivilgesellschaft - zumal wenn damit die Aufforderung verbunden ist, dass sich der selbstorganisierende Bürger auch als politisches Subjekt verstehen möge - muss bereit sein, sich auf einen auch unbequemen Prozess des Daueraushandelns von Entscheidungen einzulassen. Hier gilt allemal die alte Formel: Betroffene zu Beteiligten zu machen, statt ihnen - wie bisher - die Kröten, die sie schlucken sollen, nur durch immer verfeinerte Rezepturen schmackhaft machen zu wollen.
Die Vollversammlung der Vereinten Nationen hat das Jahr 2001 zum Internationalen Jahr der Freiwilligen (IJF) ausgerufen. Die auch für Deutschland relevanten, hier formulierten Ziele
- den Freiwilligensektor besser in den politischen Willensbildungsprozess einzubinden
- Freiwilligenarbeit besser zu fördern
- nationale und internationale Netzwerke auszubauen
- den Beitrag von Freiwilligen für ihr jeweiliges Gemeinwesen besser anzuerkennen
öffnen ein Aufgabenfeld, das weitreichende Konsequenzen für eine zukunftsträchtige und ernstgemeinte Reform der politischen Rahmenbedingungen bürgerschaftlichen Engagements nach sich ziehen würde. Freilich: Als dem Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend der Auftrag erteilt wurde, das internationale Jahr der Freiwilligen 2001 in Deutschland zu planen, zu organisieren und durchzuführen, gewährte man eine personelle Ausstattung von 1,5 Stellen - wohl kaum der erhoffte Aufbruch zu neuen Ufern.
Dabei gibt es von Seiten der Politik - das gilt für die Bundes-, Landes- als auch Kommunalebene - genügend zu tun. Bisher hat sie ihre Rolle als ‚Ermöglichungsstaat' noch nicht angenommen. Weder bringt sie moderierend die oft sehr unterschiedlichen Milieus der Ehrenamts- und Freiwilligen-Szene sowie den bürgerschaftlich Engagierten mit dem Ziel kommunaler Vernetzung (z.B. Schulung) zusammen, noch hat sie überhaupt das Integrationspotential erkannt, das in bürgerschaftlichem Engagement steckt, um der vor allen in unseren Großstädten verstärkt um sich greifenden Marginalisierung bestimmter Bevölkerungsgruppen effektiv zu begegnen. Auch über die kultur- und sozialstrukturell anders gearteten Engagementpotentiale unserer ausländischen Mitbürger wissen wir bisher praktisch nichts. Hier liegen Ressourcen, die der nach wie vor schwierigen Annäherung unterschiedlicher Kulturen in unserem Land eine neue, positive Facette hinzufügen werden. Für die hier zugewanderten Ausländer gilt derselbe Mechanismus, der im vorigen Jahrhundert für die Industriearbeiterschaft als ‚vaterlandslose Gesellen' und die Katholiken als mangelhafter nationaler Treue verdächtige ‚Ultramontane' in einem protestantisch dominierten Preußen galt: Erst auf der Grundlage eines weitverzweigten Netzwerkes von Vereinen und Initiativen im eigenen Milieu gelingt die Integration in Staat und Gesellschaft. Im übrigen werden bürgerschaftliche Aktivitäten im Bereich der Zuwanderer - ebenso wie der Hinweis auf die wachsende Bedeutung von Zuwanderern für die ökonomische Entwicklung der Bundesrepublik - ein wirksames Gegenmittel gegen stereotype Klischees von den seltsam reduzierten sozialen und kulturellen Traditionen der Zuwanderer bilden und unser Ehrenamts- und bürgerschaftliches Leben bereichern.
Ähnliches gilt für die noch ausstehende Situationsanalyse in den neuen Bundesländern. Hier gab es vormals zwei nunmehr untergegangene Formen von Solidarität: die staatlich verordnete ‚real existierende' Systemsolidarität als sozial kontrollierte Freiwilligenarbeit an Feierabenden und an Sonn- und Feiertagen einerseits, und die auf kreative Nachbarschaftshilfe beruhende Solidarität bei der Überwindung des Mangels andererseits. Vor diesem Hintergrund fällt es in den neuen Bundesländern besonders auf, wie schwer man sich hier sowohl mit dem klassischen Begriff des Ehrenamts als auch neuen Formen bürgerschaftlichen Engagements tut.
Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass es vor allem zwei Gründe sind, warum die Politik sich bislang noch eine selbstverordnete Zurückhaltung in Sachen Bürgerengagement auferlegt. Wollte sie ernsthaft z.B. nur die Förderrichtlinien für Freiwilligenarbeit den jeweiligen spezifischen Bedürfnissen vor Ort angleichen, müsste sie zugleich eine Diskussion über die Neubewertung gesellschaftlicher Arbeit in ihrem Verhältnis von bezahlten zu unbezahlten Teilen führen. Damit verbunden wäre eine Auseinandersetzung mit dem Begriff ehrenamtlicher Tätigkeit, der seit geraumer Zeit in einer Krise steckt. Bisher sieht sich niemand in der Lage, die Heterogenität des Gemeinten sowohl inhaltlich als auch begrifflich zeitgemäß zu definieren.
Noch wesentlicher aber scheint, dass die Neuorientierung der Politik auf eine moderierende Rolle in der Zivilgesellschaft als Anfang vom Ende gefürchtet sein könnte. Es scheint die Sorge umzugehen, realen Machtverlust dort zu erleiden, wo bisher ein staatliches Definitions- und Informationsmonopol der Politik die Vorherrschaft über die Welt der Vereine, Gruppen und Initiativen sicherte. Beides - eine klare Vorstellung über bürgerschaftliches Engagement und die Akzeptanz einer neuen Rolle - wird der Politik auf Dauer jedoch nicht erspart bleiben
Einige Beiträge dieses Heftes gehen zurück auf Vorträge und Diskussionen einer Veranstaltung vom 3. Dezember 1999 der Staatskanzlei Rheinland-Pfalz zum Thema ‚Modernes Ehrenamt heute. Symposium zu den gesellschaftlichen Grundlagen, aktuellen Erscheinungsformen und Zukunftsperspektiven bürgerschaftlichen Engagements'. Das Forschungsjournal dankt an dieser Stelle der Staatskanzlei für die gute Kooperation.
Frank Heuberger und Gerd Mielke, Mainz/Ansgar Klein und Peter Kuleßa, Berlin.
- „Jeder dritte der ehrenamtlich bzw. freiwillig Engagierten bezeichnet die ausgeübte Tätigkeit als ‚Ehrenamt' (32 Prozent). Häufiger wird die Bezeichnung ‚Freiwilligenarbeit' als zutreffend gesehen (48 Prozent). Seltener werden Begriffe wie ‚Initiativen- oder Projektarbeit' (7 Prozent),Bürgerengagement' (6 Prozent) oder ‚Selbsthilfe' (2 Prozent) gewählt." (Rosenbladt/Picot 1999: 4).
- Vor diesem Hintergrund ist auch auf die Diskussion um unzivile Formen des Bürgerengagements zu verweisen. Gewalt, Intoleranz und ein an Feindbildern orientiertes Engagement wären in diesem Zusammenhang zu nennen. (Keane 1996; Miller/Soeffner 1996). Der Hinweis auf die Konnotationen des Zivilitätsbegriffs macht die normative Dimension deutlich, die in Begriffen des bürgerschaftlichen Engagements und der Zivilgesellschaft eine notwendige Rolle spielt. (Für die diesbezügliche Debatte um die Zivilgesellschaft und die Notwendigkeit einer demokratischer Selbstbeschränkung zivilgesellschaftlicher Akteure siehe Rödel 1994; Habermas 1983).
Literatur
- Blanke, Bernhard/Schridde, Henning 1999: Bürgerengagement und Aktivierender Staat. Expertise im Rahmen des Sozialpolitischen Qualitätsmanagements. Hg. vom Niedersächsischen Ministerium für Frauen, Arbeit und Soziales. Hannover.
- Evers, Adalbert 2000: Bürgerschaftliches Engagement und soziale Reformpolitik. Über Verständnis von und Umgang mit einer Form des sozialen Kapitals. In: Hildemann, K.D. (Hg.): Abschied vom Versorgungsstaat? Erneuerung sozialer Verantwortung zwischen Individualisierung, Markt und bürgerschaftlichem Engagement. Mühlheim a.d. Ruhr, 27-38.
- Evers, Adalbert/Leggewie, Claus 1999: Der ermunternde Staat. Vom aktiven Staat zur aktivierenden Politik. In: GMH, Heft 6.
- Evers, Adalbert/Olk, Thomas 1996: Analytische und normativ-politische Dimensionen eines Leitbegriffs. In: dies. (Hg.): Wohlfahrtspluralismus. Vom Wohlfahrtsstaat zur Wohlfahrtsgesellschaft. Opladen, 9-60.
- Habermas, Jürgen 1983: Ziviler Ungehorsam - Testfall für den demokratischen Rechtsstaat. Wider den autoritären Legalismus in der Bundesrepublik. In: Glotz, P. (Hg.), Ziviler Ungehorsam im Rechtsstaat. Frankfurt/M., 29-53.
- Keane, John 1996: Reflections on Violence. London.
- KGSt 1999: Bürgerengagement - Chance für Kommunen, Bericht Nr. 6. Köln.
- Kistler, Ernst/Noll, Heinz-Herbert/Priller, Eckhard (Hg.) 1999: Perspektiven gesellschaftlichen Zusammenhalts: empirische Befunde, Praxiserfahrungen, Meßkonzepte. Berlin.
- Miller, Max/Soeffner, Hans-Georg (Hg.) 1996: Modernität und Barberei. Soziologische Zeitdiagnosen am Ende des 20. Jahrhunderts. Frankfurt/M.
- Rödel, Ulrich 1994: Zivilgesellschaft und selbstorganisierte Öffentlichkeiten. In: Forschungsjournal NSB, Jg. 7, Heft 1, 34-46.
- Rosenbladt, Bernhard von/Picot, Sibylle (Infratest Burke Sozialforschung) 1999: Freiwilligenarbeit, ehrenamtliche Tätigkeit und bürgerschaftliches Engagement - Überblick über die Ergebnisse. München.
- Roth, Roland 1999a: Chancen und Hindernisse bürgerschaftlichen Engagements in den neuen Bundesländern. Beitrag auf dem Symposium der Toepfer-Stiftung, am 28. April in Berlin, Manuskript.
- Roth, Roland 1999b: Bürgerschaftliches Engagement - Formen, Bedingungen, Perspektiven. In: Zimmer, A./Nährlich, S. (Hg.): Bürgerschaftliches Engagement. Opladen (im Erscheinen). Hier zitiert nach dem Manuskript
- Schröder, Gerhard 2000: Die zivile Bürgergesellschaft. Anregungen zu einer Neubestimmung der Aufgaben von Staat und Gesellschaft. In: Süddeutsche Zeitung, Nr. 70, 19.