Nach wie vor wird Homosexualität weltweit in 80 Staaten strafrechtlich geahndet, werden Lesben und Schwule ausgegrenzt, gesellschaftlich isoliert oder brutal misshandelt. Auch in Deutschland ist der Alltag von Homosexuellen durch Diskriminierungserfahrungen gekennzeichnet. Mit der kontroversen öffentlichen Auseinandersetzung um Homosexualität und ‚sexuelle BürgerInnenrechte‘ im Zusammenhang mit dem am 10. November 2000 verabschiedeten ‚Lebenspartnerschaftgesetz’ wandelte sich die Diskussion in der deutschen Öffentlichkeit grundlegend.
Vor dem Hintergrund dieser Debatten erörtern und analysieren in der aktuellen Ausgabe des Forschungsjournal Neue Soziale Bewegungen Experten aus Politik und Wissenschaft grundsätzliche politische Fragen von Homosexualität in unserer Gesellschaft.
Volker Beck - rechtspolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen und prominenter Sprecher des Lesben- und Schwulenverbandes (LSVD) - sieht Homosexuelle in Deutschland „auf dem Weg zur gesellschaftlichen Normalität“. Gerade die Initiative zur Gleichstellung homosexueller Lebenspartnerschaften stoße auf weitgehend positive Resonanz bei Lesben und Schwulen. Auf Bundesebene habe vor allem der LSVD mit seiner Öffentlichkeitsarbeit die Zustimmung innerhalb der Bevölkerung gefördert. So sei aus einer ehemals eher radikalen Minderheit inzwischen eine selbstbewußte Massenbewegung geworden, die die Anerkennung als soziale Minderheit mit gleichen Rechten und die volle Partizipation am gesellschaftlichen Leben einfordert.
Jens M. Scherpe vom Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht in Hamburg stellt auf der Grundlage eines Ländervergleichs verschiedene Modelle zur Rechtsstellung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften vor. Scherpe, Mitautor des Gutachtens, das der Vorlage des Bundesjustizministeriums zum ‚Lebenspartnerschaftsgesetz‘ zugrunde liegt, betont zwei wichtige Aspekte in der Diskussion: Zum Einen plädiert er für die Schaffung eines eigenen Rechtsinstituts auf dem Niveau der Ehe; zum Zweiten fordert er die Einrichtung eines oder mehrerer Rechtsinstitute auf niedrigerem Regelungsniveau. Letztere können unabhängig von geschlechtlicher Orientierung in Anspruch genommen werden.
Eine kritische Einführung in die vor allem US-amerikanisch geprägte ‚Queer-Debatte‘ - der Debatte um das ‚Aufbrechen‘ heterosexuell begründeter Normenvorgaben und festgeschriebener Geschlechterrollen - gibt Elisabeth Holzleithner. Sozialpsychologische Studien über die Bedeutung kollektiver Identität für die Mobilisierung schwuler Männer in Deutschland stellen Stefan Stürmer und Bernd Simon vor. Entwicklungslinien und spezifische Merkmale der Schwulen- und Lesbenbewegung in der DDR sind Gegenstand des Beitrags von Jochen Kleres.
Adalbert Evers, Sachverständiger für Bündnis 90/DIE GRÜNEN in der Enquete-Kommission ‚Zukunft des Bürgerschaftlichen Engagements‘, zieht in einer ‚Aktuellen Analyse‘ aus Sicht eines Insiders eine kritische Zwischenbilanz der Kommissionsarbeit. Evers fordert die Notwendigkeit einer gesellschaftspolitischen Debatte über das Bürgerengagement in und durch die Kommission ein. Die Verbesserung individuell-rechtlicher Grundlagen zur Förderung von Bürgerengagement sei wichtig, könne aber nicht das ausschließliche Ziel einer zukunftsweisenden Kommissionsarbeit sein.