Liebe Leserinnen und Leser, der neue Jahrgang bringt Veränderungen für das Forschungsjournal. Die erste fällt schnell auf: Wir haben ein leicht verändertes Format und ein neues Layout. Die zweite ist etwassubtiler: Ab 2011 heißt unsere Zeitschrift Forschungsjournal Soziale Bewegungen.
Als das Forschungsjournal Neue Soziale Bewegungen 1988 gegründet wurde, verbanden die Herausgeber damit das Ziel, „den Austausch zwischen Forschung und Politik, zwischen Bewegungen und Wissenschaft, zwischen Bewegungsaktivisten und ‚traditioneller politischer Praxis‘ sowie Reflexionen innerhalb dieser drei Bereiche zu initiieren, zu fördern und zu verstetigen“ (FJ NSB, Jg. 1, Heft 1:5). Entlang dieser Schnittstellen – zwischen Wissenschaft und Praxis sowie zwischen Bewegung und etablierter Politik – bewegt sich das Forschungsjournal seitdem. Die Themenschwerpunkte des Journals bieten aufmerksame Betrachtung und genaue Analyse der politischen, sozialen und auch kulturellen Verhältnisse des gesellschaftlichen Zusammenlebens – durchaus verbunden mit dem normativen Anspruch emanzipatorischer Politik und kritischer Begleitung demokratischer Praxis. Der Bezug im Hefttitel auf die Neuen Sozialen Bewegungen als eine Familie von Bewegungen, deren gemeinsamer Bezugspunkt bei unterschiedlichen konkreten Themen ein Mehr an Emanzipation, Partizipation und Demokratie war, machte diese Orientierung deutlich.
Das Forschungsjournal und die neuen sozialen Bewegungen haben sich in doppelter Weisevoneinander entfernt. Zum einen werden die neuen sozialen Bewegungen heute als ein historisches Phänomen betrachtet, das für die Bewegungen der 1970er bis 1990er Jahre steht. Der Bezug allein auf dieses mittlerweile historische Phänomen reicht heute nicht mehr aus. Entsprechend hat sich die Bewegungsforschung von diesem Fokus gelöst (vgl. Roth/Rucht2008: 641). Zum anderen hat das Forschungsjournalsein Themenspektrum längst erweitert. Der Blick richtet sich in den vielfältigen Themenheften auch auf soziale Bewegungen, aber eben nicht nur. Zivilgesellschaft und bürgerschaftliches Engagement oder Organisationen wie Gewerkschaften und NGOs rückten stärker in den Blick; auch Themen wie politische Parteien, politische Strategie oder auch politische Theorie sind im Forschungsjournal regelmäßig aufgegriffen worden.
Wenn wir uns nun also mit dem neuen Jahrgangeinen neuen Titel geben – Forschungsjournal Soziale Bewegungen – und somit doch fast beim alten bleiben, geschieht das nicht in Erwartung einer Renaissance sozialer Bewegungen im Jahr 2011 (die Wutbürger des Jahres2010 hin oder her), sondern weil mit diesem Titel ein bestimmter Blick auf Gesellschaft verbunden ist: auf das Widerständige, das kollektive Agieren jenseits des gesellschaftlichen, politischen und auch wissenschaftlichen Mainstreams, auf Protest und Partizipation, auf Zivilgesellschaft und Engagement. Soziale Bewegung in diesem Sinne ist doppeldeutig: nicht nur als soziales Phänomen kollektiver Handlungen, sondern auch als etwas, was ‚Bewegung in das Soziale‘, in das gemeinschaftliche Zusammenleben innerhalb einer Gesellschaft bringt. Der schon lange bestehenden Ausweitung des Themenspektrums im Forschungsjournal trägt der neue Untertitel „Analysen zu Demokratie und Zivilgesellschaft“ nun auch Rechnung.
„Das Forschungsjournal“, so schrieb Ansgar Klein zum 15jährigen Bestehen des Journals,„hat sich den Platz zwischen Praxis und Theorie ausgesucht und sich als Beobachter und Kommentator gleichsam zwischen den Stühlen eingerichtet“. Diese Position wird sich nicht ändern, und auch den Willen, „diskurspolitischen Interventionismus“ zu betreiben, tragen wir mit dem neuen Namen weiter. Dem emanzipatorischen und politisierenden Anspruchsozialer Bewegungen wollen wir weiterhin mit unseren „Analysen zu Demokratie und Zivilgesellschaft“ gerecht werden.
Die Herausgeber März 2011