Der Klimawandel ist einer der größten, vielleicht die größte Herausforderung, der die Menschheit gegenwärtig gegenübersteht – wenigstens in den Augen von UNO-Generalsekretär Ban Ki-Moon, Microsoft-Milliardär Bill Gates, Physiker Stephen Hawking, Klimaökonom Ottmar Edenhofer und anderen. Die von der Wissenschaft in den vergangenen Jahrzehnten zunehmend konsensuell beschriebenen und auf menschliche Treibhausgasemissionen zurück geführten Veränderungen der globalen Durchschnittstemperaturen wirken sich in vielerlei Weise aus (vgl. IPCC 2007): Sie führen zu Gletscher- und Eisschmelze und einem Anstieg des Meeresspiegels. Zugleich werden sich wohl Wüsten und wasserarme Regionen vergrößern, Wasserressourcen werden voraussichtlich knapper. Die Folgen bedrohen existierende Ökosysteme und Biodiversität, auch die Nahrungsmittelproduktion könnte leiden. Hinzu kommen extreme Wetterereignisse wie Fluten oder Stürme.
Mit diesen Veränderungen verbunden sind – teils schwerwiegende – gesellschaftliche Folgen. So dürften neu entstehende oder verstärkte Knappheiten von Ressourcen wie Wasser und die Zunahme regionaler Wetterextreme zu neuen Herausforderungen und Bedrohungen für menschliches Zusammenleben führen. „Gerade Küstenregionen dürften infolge der Klimaänderung und des Anstiegs des Meeresspiegels immer größeren Risiken – einschließlich Küstenerosion – ausgesetzt sein werden“ (IPCC 2007: 25), viele Menschen insbesondere in tiefer liegenden Gebieten werden von Überschwemmungen betroffen sein. Hinzu könnten schwerwiegende ökonomische Folgen kommen – der von der britischen Regierung in Auftrag gegebene Stern Report schätzt, dass sich die weltweiten volkswirtschaftlichen Kosten der momentanen Klimaveränderungen auf etwa fünf Prozent der weltweiten Wirtschaftsleistung belaufen werden (Stern 2007: 161), und gibt zu bedenken, dass die ärmsten Länder, die wenig zum Problem Klimawandel beigetragen haben, wohl am härtesten getroffen werden würden. Dies wiederum könnte zur Entstehung neuer oder Verschärfung bereits existierender Konflikte in sicherheitspolitischen „Hot Spots“ führen (vgl. WBGU - Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung für Globale Umweltveränderungen 2008), und nicht zuletzt deswegen seien künftig auch massive Migrationsbewegungen von „Klimaflüchtlingen“ (z.B. Jakobeit/Methmann 2007, Morrissey 2009) denkbar.
Beim Klimawandel handelt es sich, so ein vielzitiertes Diktum des Stern Reports, um das „größte Marktversagen aller Zeiten“ – und nötig sei entsprechend ein internationales politisches Handeln mit gemeinsamen, langfristigen Zielen (Stern 2007: xviii). Die grundsätzlichen Handlungsoptionen sind dabei weitgehend klar und lassen sich den Polen Vermeidung („mitigation“) und Anpassung („adaptation“) zuordnen.
Auf der einen Seite steht die Vermeidung des (künftigen) Klimawandels durch eine deutliche Verringerung des CO2-Ausstoßes weltweit, wobei hochentwickelte Industrieländer und in diesen bestimmte Industrien naheliegender Weise am stärksten von entsprechenden Limitierungen betroffen wären. Die Vermeidungs-Option steht in der internationalen Klimapolitik bislang im Mittelpunkt. Das Ziel der internationalen Klimakonferenzen („Conferences of the Parties“, COP) sowie vieler zur Klimapolitik verabschiedeten Beschlüsse – das „Kyoto-Protokoll“ ist das wohl bekannteste Beispiel – besteht darin, einen internationalen Konsens auszuhandeln, bei dem sich die Teilnehmerländer zu einer Reduktion des CO2-Ausstoßes verpflichten. Grundsätzlich wird momentan angestrebt, „den globalen Temperaturanstieg auf zwei Grad Celsius über dem Niveau der vorindustriellen Zeit (1850) zu begrenzen“ (Narain 2010: 3).
Auf der anderen Seite steht die Anpassung an die bereits existierenden oder jetzt schon unvermeidlichen Folgen des Klimawandels durch Schutzmaßnahmen. Diese Optionen haben in den vergangenen Jahren, auch angesichts des vermeintlichen Scheiterns von Vermeidungsbemühungen, an Bedeutung gewonnen. Sie liegen vornehmlich auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene: Hier geht es etwa um Deichbau, um die Unterstützung bestimmter Bau- oder Umbauformen und auch um Versicherungsregelungen, mit denen Betroffene bei klimabedingten Schäden entgolten werden sollen (vgl. Heinrichs/Grunenberg 2009: 17ff., Stehr/von Storch 2008). Hier lassen sich auch technische Entwicklungen als Ersatz für CO2-intensive Technologien oder das „Geoengineering“ zuordnen, worunter technische Eingriffe in geochemische resp. biogeochemische Kreisläufe zu verstehen sind, mit denen den Folgen des Klimawandels entgegen gewirkt werden soll (vgl. Crutzen 2008).
Die Umsetzung derartiger Maßnahmen ist aber schwierig. Schon die dem eigentlichen Handeln und politischen Entscheidungen vorgelagerte Verständigung über wünschbare Ziele fördert oft so unterschiedliche Positionen zu Tage, dass eine Konsensbildung schwer oder gar unmöglich scheint – das dürfte Beobachtern der Weltklimakonferenzen der vergangenen Jahre ebenso klar sein wie Besuchern von lokalen Dialog-Veranstaltungen zu den Folgen des Klimawandels in der Nordseeregion. Mitunter sind die wissenschaftlichen Folgenprognosen und -erwartungen umstritten. Klimawandel-„Skeptiker“, die an der Existenz des Phänomens an sich zweifeln, treffen auf „Alarmisten“, die in missionarischer Weise versuchen, die Tragweite der Klimaproblematik deutlich zu machen und ihr andere Problemlagen und Handlungsoptionen unterzuordnen. Vertreter globaler politischer Vermeidungs-Ziele sehen sich Anhängern eher regionaler und lokaler Anpassungsstrategien gegenüber. Vertreter von Industrieländern streiten mit Entwicklungs- und Schwellenländern. Unternehmerinteressen treffen auf NGOs.
Aus der öffentlichen Kommunikation über den Klimawandel und die (vermeintlich) richtigen politischen Herangehensweisen an die Thematik ist längst ein umkämpftes Feld geworden. Bei der Klimathematik hat sich die Mobilisierung von Bewegungen wie in kaum einem anderen Themenbereich in die Mitte der Gesellschaft und der Politik vorgearbeitet. Damit ist das Problem aber eben keineswegs gelöst, sondern mit der Anerkennung der Problematik ist die Auseinandersetzung um Verantwortlichkeiten und Lösungen erst voll entbrannt. Eine Schlüsselfrage ist dabei, wer die öffentliche Meinung für sich gewinnen kann, um seine Interpretationen des Problems und seine Lösungsstrategien durchzusetzen. Und weil mit den diskutierten Veränderungen immense Kosten für viele verbunden sind, hat die Auseinandersetzung erhebliche Brisanz. Es findet ein Kampf um die Köpfe statt – und dieser Kampf ist Gegenstand dieses Themenheftes.
Das Heft beleuchtet die Auseinandersetzung um und die Strategien zur Beeinflussung der öffentlichen Meinung zum Klimathema. Wie agieren Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und NGOs? In welcher Weise versuchen sie, die Öffentlichkeit für ihre Deutungen und Lösungen zu gewinnen? Welche Rolle spielen die Medien? Und welche Entwicklungen lassen sich in der öffentlichen Wahrnehmung, in der Mobilisierung der Öffentlichkeit (in einem weiten Sinne) für Klimafragen und lösungen erkennen?
Das Heft geht auf diese grundsätzlichen Fragen ein und beleuchtet dabei exemplarisch die prominenten Konflikte in der Klimadebatte. Eingangs beschreibt Achim Brunnengräber die wesentlichen klimapolitischen Debatten und zeigt auf, dass diese vornehmlich im Bereich der Vermeidungsstrategien zu verorten sind.
Anschließend betrachten wir in einem ersten thematischen Block die klimabezogene Öffentlichkeitsarbeit unterschiedlicher Akteure. Inga Schlichting und Andreas Schmidt legen das Feld der Akteure dar, die aktiv zum Thema kommunizieren. Sie geben einen Überblick über politische sowie NGO- und Unternehmenskampagnen und können einen Wandel der Themendeutung aufzeigen. Sehr unterschiedliche Akteurspositionen werden auch in zwei Interviews deutlich, die wir mit Michael Hopf, dem Pressesprecher von Greenpeace Deutschland, sowie mit Joachim Löchte von RWE geführt haben. Sie beschreiben recht unterschiedliche Sichtweisen auf das Klimathema, die sie aber auf ähnliche Weise – wenngleich mit variierendem Erfolg – öffentlich zu vermitteln versuchen. Dies kontrastiert ein Beitrag von Silke Beck, in dem sie sich mit der öffentlichen Rolle des UN-Weltklimarates IPCC, mit dessen kommunikativem Krisenmanagement und dem damit einher gehenden Glaubwürdigkeitsverlust beschäftigt.
Der Beitrag von Markus Rhomberg setzt sich mit der klimapolitischen Debatte in den Massenmedien auseinander. Er beleuchtet die Selektions- und Präsentationslogiken von Redaktionen und geht auf die Darstellung der Debatte ein. Gefolgt wird er von zwei Beiträgen, die sich eher mit der Praxis der massenmedialen Klima-Darstellung auseinandersetzen. Zunächst beschreibt Axel Bojanowski die Rolle und die Schwierigkeiten von Wissenschaftsjournalisten bei der Thematisierung komplexer Themen wie des Klimawandels – und die konkreten Fallstricke dieses spezifischen Themas. Anschließend schildert Markus Lehmkuhl den konkreten Konflikt einer Journalistin mit einem Klimawissenschaftler.
Ein weiterer thematischer Block trägt der wohl zentralen Veränderung in der Medienlandschaft der vergangenen Jahrzehnte Rechnung: der Digitalisierung. Zunächst beschreibt Mike S. Schäfer, wie die Klimabewegung Online-Medien und Social Media nutzt, um für ihre Themen Aufmerksamkeit zu finden, Bürger zu mobilisieren und sich selbst mit Gleichgesinnten zu vernetzen. Die spezielle Rolle von Weblogs in der Klimadebatte beleuchten im Anschluss zwei Wissenschaftler, die selbst derartige Blogs betreiben: der Politikwissenschaftler Roger Pielke jr., der seit Jahren einer der aktivsten und renommiertesten US-Blogger zum Thema ist, und der Ethnologe Werner Krauss, der maßgeblich am deutschen Blog „Klimazwiebel“ beteiligt ist.
Abschließend stellt Jochen Roose die Gretchenfrage für den Kampf um die Köpfe: Welche Mobilisierung für dieses Thema lässt sich finden und was denken und tun die Menschen in Bezug auf den Klimawandel?
Wir schlagen damit einen thematischen Bogen von der strategischen Kommunikation zentraler gesellschaftlicher Akteure über die Ausgestaltung der öffentlichen Debatte bis hin zu den Auswirkungen dieser Kommunikation. Mit dem Themenfeld Klimawandel und Klimapolitik nehmen wir dafür exemplarisch eine große und dauerhaft aktuelle politische Auseinander¬setzung in den Blick. In dieser zeigen sich typische Konflikte und Strategien zur Gewinnung und auch Manipulation der öffentlichen Meinung. Die Auseinandersetzung um das Klima ist nicht nur ein zentraler Konflikt unserer Zeit, sondern auch ein Beispiel für die Strategien und Logiken öffentlicher Kampagnen in anderen umstrittenen Politikfeldern.
Jochen Roose (Berlin), Mike S. Schäfer (Hamburg).
Literatur
- Crutzen, Paul J. 2008: An Example of Geo-Engineering. Cooling Down Earth’s Climate by Sulfur Emissions in the Stratosphere. In: Arber, S.W. (Hg.): Predictability in Science. Accuracy and Limitations. Proceeding of Plenary Session, 3-6 November 2006. Vatican City: Pontifical Academy of Sciences.
- Heinrichs, Harald / Grunenberg, Heiko 2009: Klimawandel und Gesellschaft: Perspektive Adaptionskommunikation. Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften.
- IPCC 2007: IPCC Fourth Assessment Report: Climate Change 2007. Geneva: IPCC - Intergovernmental Panel on Climate Change.
- Jakobeit, Cord / Methmann, Chris 2007: Klimaflüchtlinge. Hamburg: Greenpeace.
- Morrissey, James 2009: Environmental Change and Forced Migration. A State of the Art Review (Refugee Studies Center Background Paper). Oxford: University of Oxford, Oxford Department of International Development, Refugee Studies Centre.
- Narain, Sunita 2010: Klimawandel: Keine gemeinsame Teilhabe an der Welt. In: Aus Politik und Zeitgeschichte, Jg. 2012, Heft 32/33, 3-7.
- Stehr, Nico / von Storch, Hans 2008: Anpassung und Vermeidung oder von der Illusion der Differenz. Reaktion auf H. Ziegler: Adaptation versus mitigation – Zur Begriffspolitik in der Klimadebatte. In: GAIA, Jg. 17,Heft 1, 19-24.
- Stern, Nicholas 2007: The Economics of Climate Change. The Stern Review. Cambridge: Cambridge University Press.
- WBGU - Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung für Globale Umweltveränderungen 2008: Welt im Wandel: Sicherheitsrisiko Klimawandel. Berlin, Heidelberg & New York: Springer.