Die – an Zahl zunehmenden – Gewalttaten von Einzelnen gegen die Gemeinschaft erfordern seit einigen Jahren vermehrt Bewältigungsstrategien offener Gesellschaften. Aufarbeitung sowohl durch Erinnerung wie durch „gesunde“ Verdrängung sind, obwohl in mancherlei Hinsicht einander entgegengesetzt, zentrale Aspekte von integrativen Resilienzstrategien. Diese werden umso wichtiger, als Terrorismus, Umweltprobleme und „neurotische Gesellschaften“ aufgrund wachsender sozialer Spannungen in der globalisierten Welt zunehmen. Eine Grundsatzfrage ist dabei, welche Ideologie angemessen für das noch junge und erst im Entstehen begriffene gesellschaftliche Resilienz-Konzept ist. Die Antwort Europas lautet meist „die traditionelle humanistische Ideenwelt“, kombiniert mit „weichen“, „postmodern-dekonstruktiven“ Elementen, während anders gelagerte Gesellschaften die Antwort anders geben. Anhand der mehr als einjährigen Aufarbeitungsversuche des Attentats des norwegischen Extremisten Anders Behring Breivik vom 22. Juli 2011 in Oslo und auf der Insel Utøya durch die norwegische Regierung und Öffentlichkeit, geht dieser Essay erstens der Frage nach, inwiefern „milde“ Verarbeitungsversuche, die sich in erster Linie auf „humanistische“ Erinnerungsstrategien stützen, ihre Ziele erreichen; zweitens, inwiefern sie dabei an Grenzen stoßen und in welcher Hinsicht; und drittens, inwiefern europäische und dabei kleinräumig-„familiäre“ Resilienzsstrategien wie jene Norwegens als Modell dienen können. Vor allem der Vergleich mit kulturell, historisch und größenmäßig anders gelagerten offenen Gesellschaften wie etwa den USA lässt daran Zweifel zu. Das kann in einen anregenden Grundsatzdialog zwischen Demokratiekulturen führen, der unter anderem die gesellschaftsstiftenden Dialektiken zwischen den Vor- und Nachteilen von Erinnern versus Vergessen sowie zwischen Vergangenheits- und Zukunftskultur einschließt.
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